Ian Rankin Lesung im Kaufleuten Zürich - 18. März 2010

Da sitzt er nun der grosse Meister und Erschaffer des beliebten Inspektor John Rebus, und stellt seinem neusten Roman „Ein reines Gewissen“ vor. Ian Rankin, der schottische Autor, gehört zur Spitzenklasse der englischsprachigen Autoren. Anlässlich der deutschen Buchpremiere seines Nachfolgeromans auf die John Rebus-Reihe, war er zu Gast im Kaufleuten Zürich. Anlass genug für die Mitglieder des Krimiclub den Starautor zu huldigen. Am 18. März 2010, nach einem gemütlichen Abendessen in der Reithalle Zürich, fanden wir uns frühzeitig im kleinem Saal des Kaufleuten Zürich ein. Der Saal war bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Sven Boedecker – freier Journalist der „Sonntags-Zeitung“ und Juror der Arte Krimibestenliste – eröffnete den Abend mit einer kurzen Einführung zur Biografie von Ian Rankin. Danach betritt der Star des Abends unter grossem Applaus die Bühne. Ian Rankin wirkt locker, ist entsprechend leger gekleidet und als erstes krempelt er die Hemdsärmel hoch. Eine Geste die viel über den Autor aussagt. Obwohl er englische Literatur studiert hat, verheimlicht er seine Arbeiter Herkunft nicht. Er wurde 1960 im schottischen Kohlerevier Fife geboren, und lebt heute mit seiner Familie in der einstigen Arbeiterstadt Edinburgh.

Bevor Sven Boedecker im Interview auf Rebus und den Unterschied zum neuen Ermittler Malcom Fox zu sprechen kam, las Ian Rankin eine kurze Passage aus seinem neuen Buch „The Complaints“, zu Deutsch „Ein reines Gewissen“ vor, in dem eben jener Fox die Hauptrolle innehat.

Ian Rankin setzt sich dazu an ein kleines Lesepult und setzt hierzu seine Brille auf. Er liest gekonnt und mit gutem Gespür für die einzelnen Figuren.

Nach zwei kurzen Passagen folgte das Interview mit Sven Boedecker. Zuerst will dieser wissen, was Rankin denn nach Ende der John Rebus-Serie empfunden habe, und in welche Richtung er sich entwickeln wolle.

Zuerst macht Rankin darauf aufmerksam, dass er zu Beginn der Rebus- Serie einen Fehler gemacht habe. Er hatte John Rebus Alter zu hoch angesetzt. Und da er sich an die Realität hielt, in Schottland gehen Polizisten mit 60ig in Pension, war die Serie früher zu Ende als ihm lieb war. Nun stand es Rankin frei was er machen wollte. Der Verlag verlangte lediglich zwei Bücher in einer gesetzten Frist. Egal welcher Art, meinte Rankin mit typischem britischem Humor; er hätte wohl auch ein Kinderbuch, einen Ratgeber, ein Science Fiction-Roman oder ein Nachschlagewerk schreiben können.

Dank eines Zeitungsartikels über interne Ermittlungen bei der Polizei kam er auf die Idee, seine neue Figur in diesem Umfeld anzusiedeln. Die Serie um den internen Ermittler Malcom Fox ist vorläufig auf drei Bände ausgelegt. Was übrigens nichts heissen will, denn die John Rebus-Serie war ursprünglich ebenfalls für drei Folgen konzipiert. Eine Rückkehr von Rebus schliesst Rankin jedoch aus. Wer sich übrigens die John Rebus-Serie im Nachhinein aneignen will, soll auf anraten des Moderators mit dem achten Band „Das Souvenir des Mörders“ (Englischer Originaltitel: Black & Blue) beginnen.

Fox ist nun das komplette Gegenteil von John Rebus. Er hält sich an Regeln, ist korrekt und schaut Kollegen gerne in die Arbeit. Was Rebus nie getan hätte. Fox ist wesentlich jünger als Rebus, relaxter, ordentlich und hört in der Freizeit über Online Radio Vogelstimmen.

Hier bezieht sich Rankin auf ein tatsächlich existierendes Internet-Radio, welches ursprünglich Hörbücher veröffentlichen wollte, was jedoch keinen Erfolg hatte. Um sich die Frequenz freizuhalten, sendeten die Betreiber Vogelgesang. Entspannt nachzuhören unter: Birdsong Radio

Das Ende des Romans bereitete Rankin Schwierigkeiten. Er erarbeitete sich zwei Fassungen – eine gute und eine schlechte –, wobei er sich für keine entscheiden konnte. Deshalb zog er seine Frau zu rate. Sie entschied für eine positive Wendung des Falles. Womit sich Rankin gezwungen sah, die Figur des Fox nochmals umzuschreiben.

Nun wurde das Interview durch den deutschen Sprecher der Hörbücher von Ian Rankin, Heikko Deutschmann, unterbrochen. Er lass ebenfalls zwei Passagen aus „Mit reinem Gewissen“ vor. Der smarte Schauspieler verleiht den Figuren mit seiner wunderbaren Stimme die notwendige Tiefe. Man geniesst sein Timbre und die hervorragende Moderation seiner Stimmen.

Heiko_Deutschmann

Im zweiten Teil des Interviews spricht Rankin über das Krimischreiben an sich. Interessant erzählte auch er von der Arbeit mit den Übersetzern. So wurde zum Beispiel in der deutschen Fassung des Buches aus dem in England bekannten Golfer Jack Nickols erkennbarer Tiger Woods. Ebenso wurde Rankin von seiner deutschen Übersetzerin gefragt, ab wann sich die Protagonisten duzen. Spannend war auch, dass die amerikanische Ausgabe jedes seiner Bücher meist ein Zusatzkapitel enthält. Scheinbar mögen es die Amerikaner, das Ende genauer erklärt und begründet zu bekommen.

Wie schwer es ist Text in eine andere Form umzusetzen, erlebte Ian Rankin als er gefragt wurde einen Comic zu schreiben. Er als Comic-Fan war hoch erfreut darüber und dachte, o.k. es reiche aus sechs Worte zu schreiben – „Bang“, „Bum“, „Ploff“ - und die Scene sitzt. Alles andere ergäbe sich ja aus der Zeichnung. Rankin hatte jedoch nicht mit den Schwierigkeiten gerechnet, die daraus entstehen würden. „Dark Entries“ ist der erste Band seines Projekts des US-amerikanischen Comic Verlag DC Comic. Die unter dem Crime-Signet erscheinenden Comics sind kleine Hardcoverbände in Schwarz-Weiss, die für sich allein stehende Geschichten von unterschiedlichen Autor-/Zeichnerteams erzählen. Hierfür wurden verschiedene Zeichner/Autorenteams ausgewählt. Ian Rankin wurde der italienische Comic Zeichner Werther Dell'Edera zugeteilt. Die Schwierigkeiten ergaben sich nun daraus, dass die beiden sich nie getroffen haben, und Rankin jede Szene detailgetreu vorgeben, also beschreiben musste. Hier geht Rankin auf eine Szene in einer Bar ein und erzählt wie genau er die Situation bzw. das Bild beschreiben musste. Nur so konnte Dell‘Edera die Zeichnung umsetzten. Allein wie Rankin diese Begebenheit nacherzählt, zeigt eben auf, weshalb Rankin zu den renommiertesten Autoren Europas gehört. Genüsslich umschreibt er die Details, damit die Szene plastisch zur Wirkung kommt.
Die etwas unglückliche Arbeitsweise schlug sich dann wohl auch auf das Resultat nieder. Der Comic erhielt wenig gute Kritiken.

Boedecker_-_Rankin

Weiter plaudert Rankin aus der Westentasche woher er denn seine Ideen nehme und ob das in Wirklichkeit auch geschehen könne. Zuweilen würde die Fiktion von der Realität übertroffen. So wurde in Grossbritannien ein Serienmörder überführt, weil ein Nachbar sich beim Rasenmähen bücken musste, um einen Stein aus dem Gerät zu entfernen. Er blickte dabei zufälligerweise durch die Hecke zum Nachbargrundstück, und sah gerade zwei Füsse verschwinden. Neugierig geworden, beobachte er seinen Nachbarn weiter, wie er einen alten Teppich in sein Auto verlud. Das kam ihm alles sehr diffus vor, und er teilte der Polizei die Autonummer mit. Diese entdeckte dann mehre Kinderleichen. Rankin meinte, hätte er eine solche Szene geschrieben, würde ihm dies niemand abkaufen. Zuweilen sei die Realität fiktiver als seine Romane.

Für dieses Jahr hat sich Rankin vorgenommen ein Sabbatical zu machen – was für ihn heisst nicht zu schreiben. Herumreisen Lesungen halten, neue Ideen sammeln.

Am Ende gab es natürlich eine Signierstunde und mit reicher Beute machten sich die Krimiclub Mitglieder auf den Heimweg. Welcher natürlich genutzt wurde um über das Erlebte nochmals zu debattieren.

Was meinte doch Ian Rankin zum Ende seiner Lesung. Es sei nicht einfach ein erreichtes Niveau zu halten. Junge Autoren drängen auf den Markt, heften sich an seine Fersen. Er hat den Anspruch immer perfekter zu schreiben, sich mit jedem Buch zu steigern. Dies treibt ihn an, sonst hätte er das Schreiben wohl längst aufgegeben.

Uns soll es recht sein. Wir freuen uns auf die Fortsetzung.Signatur_Rankin

http://www.ian-rankin.de/

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